Persönlicher Erfahrungsbericht:
Briefzustellung in Paris im Juli 2000
Ende Mai bekam ich einen Brief, in dem ich erfuhr, dass ich eine Stelle in Paris bekommen habe. Wirklich begeistert war ich in dem Moment nicht, da ich eigentlich nach "La Rochelle" an die Westküste Frankreichs wollte. Außerdem wollte ich zusammen mit einer Klassenkameradin dorthin. Meine erste Reaktion war also der Griff zum Telefon, um Sarah, meine Bekannte, anzurufen und zu fragen, wohin sie geschickt wurde. So erfuhr ich, dass sie in einem Vorort von Paris gelandet war. Meine erste Panik verflog damit, denn ich konnte also trotzdem etwas mit Sarah unternehmen.
Zuerst aber musste ich nach Frankreich. Per Brief hat man mir mitgeteilt, dass ich in Paris am "Gare du Nord" von Mme B. abgeholt werden sollte. So fuhr ich dann mit dem Thalys von Köln nach Paris. Dort angekommen empfing mich Mme B. (sie hatte ein Schild mit meinem Namen in der Hand, so dass ich sie erkannte). Wir sind dann mit der Metro zu meiner Unterkunft gefahren, einem Foyer der Post, in dem noch andere von der Post wohnten. Nachdem ich meinen Mietvertrag unterschrieben und meinen schweren Koffer in den fünften Stock getragen hatte (der Aufzug war mal wieder außer Betrieb), sind wir in die Post gefahren, um den Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Mir wurde kurz gesagt, wann ich am nächsten Morgen zu kommen hatte und welche Metro ich nehmen musste. Dann verließ mich auch schon die sehr nette Mme B. Da stand ich, ein deutsches Mädchen mitten in Paris. Da ich fünf Jahre vorher schon einmal an einem Schüleraustausch teilgenommen hatte, kannte ich Paris wenigstens etwas. Wäre dies nicht so gewesen, hätte ich spätestens zu dem Zeitpunkt die Krise bekommen. Es ist nämlich nicht so einfach mit der Metro klarzukommen und sich in einer Großstadt wie Paris zurechtzufinden. Ich hab mich auch gleich am ersten Tag verlaufen, trotz Stadtplan in der Hand.
Am nächsten Morgen war dann mein erster Arbeitstag, der leider schon um 6 Uhr begann, was bedeutete, dass ich um 5 Uhr aufstehen musste. Mit der Metro ging's dann zum Büro. In der ersten Woche wurde ich von einer Kollegin eingearbeitet: ich begleitete sie beim Austeilen der Briefe, half ihr beim Sortieren und zusammenpacken etc. Da niemand in der Post deutsch sprechen konnte und auch englisch nicht wirklich beherrscht wurde, musste ich mich auf meine Französischkenntnisse verlassen. Es war am Anfang schon sehr kompliziert, da ich die ganzen Fachausdrücke nicht verstand.
Nach einigen Tagen musste ich dann alleine Briefe sortieren und austeilen. Erschwerend kam hinzu, dass es nun anfing zu regnen (kaum zu glauben im Juli) und ich in eine neue Straße geschickt wurde, die ich nicht kannte. Briefe austeilen kann sehr tückisch sein: z.B. steht man vor verschlossenen Türen, da man den Türcode nicht kennt, Briefkästen ohne Namen oder 60 Briefkästen in nur einem Haus sind der Traum eines jeden Briefträgers.
Die Arbeit war schon anstrengend, zumal ich sogar jeden zweiten Samstag arbeiten musste. Die Nachmittage standen mir aber teilweise zur freien Verfügung. Ich nutzte diese Freizeit natürlich dazu Paris kennen zulernen. In dieser Stadt gibt es ja so viele Sehenswürdigkeiten, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Die Gebäude sind wunderschön, die Denkmäler und Museen beeindruckend und die Boulevards mit den Geschäften überwältigend. Wer niemals in Paris war kann sich kaum vorstellen, was es heißt Pariser zu sein. Hier herrscht ein ganz anderes Lebensgefühl. Die Menschen sind freundlich und stets bereit mit jemandem ein Gespräch zu führen, den sie nicht kennen. Der Charme der Franzosen ist schon unwiderstehlich.
Außerdem fällt es sofort auf, dass es in Paris Menschen jeder Nationalität gibt. Paris ist ein kunterbuntes Durcheinander von Touristen, Dunkelhäutigen, Franzosen und anderen Menschen. Toleranz ist in dieser Stadt selbstverständlich.
Insgesamt hat mir der Aufenthalt trotz einiger Anfangsschwierigkeiten sehr gut gefallen. Nach einiger Zeit kam ich in der Arbeit besser zurecht, da ich mich mit einigen Kollegen angefreundet hatte. Der Kontakt zu ihnen besteht noch heute. Wir haben uns so gut verstanden, dass sie wollen, dass ich wieder nach Paris komme um sie zu besuchen... Das Klima in der Post war auch sehr locker: man erinnerte sich gerne an den Streik, der eine Woche vor meiner Ankunft dort stattfand...
Paris ist wirklich wunderschön. Ich hatte zudem das Glück auch am 14. Juli, dem Nationalfeiertag der Franzosen, und am Ende der Tour de France in Paris zu sein. An diesen Tagen waren alle Franzosen am Feiern, es fanden Paraden statt... Außerdem gewann Frankreich im Fußball, also noch ein Grund zu feiern.
Wer keine Kontaktschwierigkeiten hat und einigermaßen gut französisch spricht, kommt in Paris zurecht. Ich fand es dort sehr schön und werde daher irgendwann wieder dorthin fahren, um meine Freunde zu besuchen. Meine neugewonnenen Französischkenntnisse werde ich nun im meinem Französischstudium nutzen. Ich kann nur jedem, der beabsichtigt französisch zu studieren einen Aufenthalt in Frankreich empfehlen. Zusätzlich zur Sprachverbesserung lernt man so auch auf eigenen Beinen zu stehen: man muss sich in einer Großstadt zurechtfinden, Kontakte knüpfen und selber Essen kochen und einkaufen. Die Erfahrungen sind unersetzbar.
Paris ist wirklich beeindruckend.
Sandra Weber, Soest