Sarah L. schickte uns noch nachtrÀglich ihren Erlebnisbericht, den ich wegen der besonderen Erfahrungen, die sie in Frankreich machte, nicht vorenthalten möchte. Wie gesagt, gefragt sind SelbststÀndigkeit, gute Französischkenntnisse und manchmal etwas Abenteuerlust.
Hauptsache: Ende gut - alles gut.
Arbeitsaufenthalt in Melun
Vom 19.6. bis zum 29.7. 2000 habe ich in Melun, einer kleinen Stadt etwas sĂŒdlich von Paris bei der Post gearbeitet. Da ich an Chaos gewöhnt bin, wunderte es mich nicht, dass zu Anfang nichts so ablief, wie es eigentlich sollte. Ort und Zeit der TĂ€tigkeit, welche mir schriftlich mitgeteilt wurden, stimmten nicht mit meinen angegebenen WĂŒnschen ĂŒberein, und zweieinhalbe Wochen vor dem zuvor festgelegten Beginn meiner Arbeit wurde mir telefonisch mitgeteilt, ich solle zwei Wochen eher, also bereits am nĂ€chsten Montag, in Melun erscheinen. Mir blieben also ganze drei Tage, um neben Abiball, Abigottesdienst, Bewerbung bei der ZVS, Abgabe einer Kunstmappe an der Kölner Uni, dem Kauf einer Zugfahrkarte nach Paris usw. meine Sachen zu packen. Allerdings kam ich erst sehr spĂ€t am Montagabend in Paris an, da frĂŒhere Karten bereits ausverkauft waren und mein Zug zusĂ€tzlich auf Grund eines technischen Defekts eineinhalb Stunden VerspĂ€tung hatte und musste deshalb die erste Nacht bei einer fĂŒr die Jumelage zustĂ€ndigen Frau aus Paris verbringen. Am nĂ€chsten Tag fuhr ich weiter nach Melun, wo man mich bereits nach einer halben Stunde vom Bahnhof abholte und zur Post brachte. Dort war man ĂŒber mein Erscheinen sehr erstaunt: man hatte mich erst zwei Wochen spĂ€ter erwartet. Trotzdem fand man schlieĂlich einen Verantwortlichen, eine Wohnung und Arbeit fĂŒr mich, was allerdings den gesamten Tag in Anspruch nahm. Von nun an wohnte ich in einem ziemlich groĂen Zimmer einer 3-er WG eines Postwohnheims, von dem aus ich die Post in einem etwa 20-minĂŒtigen FuĂmarsch erreichen konnte. Wider aller Erwartungen fand ich am nĂ€chsten Morgen meinen Arbeitsort wieder und arbeitete von nun an die nĂ€chsten Wochen meinem Vertrag nach von 5.45 bis 12.22 Uhr, in der RealitĂ€t aber niemals so lange. Als erstes sortierte ich bis ungefĂ€hr 7.30 Uhr Briefe und kleinere Pakete in die PostfĂ€cher fĂŒr die beiden Bereiche "Nord" und "SĂŒd" der Stadt ein. Hierbei musste man sowohl Name, Adresse und AbkĂŒrzung der jeweiligen Institution (z.B. Sapeurs - Pompiers - 56 avenue corbeil - (General) Patton - 5 rue des Muets) kennen, weil nur selten die vollstĂ€ndige Adresse angegeben wurde. In der nun folgenden Zeit sammelte ich die "falschen Richtungen", Briefe, die nicht richtig weitergeleitet worden waren, ein, stempelte sie mit Ausnahme der Postkarten und der PlastikumschlĂ€ge auf der RĂŒckseite und sortierte sie ihren Postleitzahlen entsprechend neu, wobei Adressen (hauptsĂ€chlich Postleitzahlen) korrigiert werden mussten. AnschlieĂend kĂŒmmerte ich mich um die "Recherches", das bedeutet ich suchte in einer Liste die von der Frankiermaschine aufgedruckten Buchstaben- und Zahlenreihen und schrieb die in der Liste vermerkte Adresse auf den Briefumschlag. Bei diesen Briefen handelte es sich um solche, die von gröĂeren Firmen etc. abgeschickt worden waren, deren EmpfĂ€nger aber nicht gefunden werden konnte, sodass sie von der Post zurĂŒckgeschickt werden mussten. Das war eine arbeit, die ich sehr gerne machte, da man fĂŒr einen Moment sitzen konnte und sich etwas ausruhen konnte. Nun kamen meist schon die ersten Briefe des Tages an, welche zunĂ€chst nach GröĂe und den Briefmarken entsprechend nach Geschwindigkeitsklassen sortiert und abgestempelt wurden. Dann mussten sie den Postleitzahlen nach in unterschiedliche Gebiete aufgeteilt werden. Meist kĂŒmmerte ich mich jedoch nicht um die kleine, normalen Briefe, sondern um die GröĂeren. Das war etwas komplizierter, da man zusĂ€tzlich, je nach Format und Beschaffenheit des Umschlags, sowie Leserlichkeit der Adresse, zwischen "topable" und "nontopable" entscheiden musste, d.h. ob der Brief zum Erkennen seines Bestimmungsortes maschinell weiter bearbeitet werden konnte oder nicht. Zwischendurch musste ich mich immer wieder um andere Dinge, wie das Sortieren der "Reexpeditions", das UmrĂ€umen von Wagen, ... kĂŒmmern.
Trotzdem blieb mir immer genĂŒgend Zeit, um mich mit meinen Arbeitskollegen zu unterhalten, welche mir immer gerne halfen, neue Wörter und Grammatikregeln beibrachten und dafĂŒr sorgten, dass ich auch auĂerhalb meiner Arbeitszeit keine Langeweile hatte. Man fuhr mit mir nach Paris, besichtigte mit mir mehrere Schlösser, lud mich zum Mittagessen ein und zeigte mir die Stadt. Auch zur Arbeit musste ich nur noch selten laufen; sobald meine Arbeitskollegen mich sahen hielten sie an und nahmen mich mit dem Auto mit. Da ich ĂŒberlegte, eventuell in Frankreich zu studieren, halfen mir alle mit, einen Studienplatz zu finden. Nachdem mein Chef bei einigen Unis angerufen hatte, was zu merkwĂŒrdigen TelefongesprĂ€chen gefĂŒhrt hatte ("Guten Tag, ich bin von der Post ... Nein, ich möchte nicht studieren! ...) entschied ich mich lieber selber anzurufen. DafĂŒr bekam ich die volle UnterstĂŒtzung meines Chefs und meiner Kollegen. Allein die Hilfe der Post in Melun hat mir ermöglicht, an 6 verschiedenen französischen UniversitĂ€ten StudienplĂ€tze fĂŒr das Fach Psychologie zu finden, die ich aber leider, wie ich erst spĂ€ter feststellte, aus finanziellen GrĂŒnden nicht annehmen konnte (wenn man im Ausland studiert bekommt man kein BAföG).
Obwohl sich der erste Teil meines Berichtes vielleicht etwas abschreckend anhören mag, waren meine Erfahrungen in Melun also alles andere als abschreckend und ich glaube, ich habe sehr viel gelernt. FĂŒr die Verbesserung meiner Französischkenntnisse war vor Allem die zweite HĂ€lfte meines Aufenthalts wichtig, da ich hier fĂŒr die neu ankommenden SchĂŒler und Studenten, welche die Urlauber vertraten, "Chef spielen" musste. Als ich schlieĂlich nach Hause fahren musste, schienen alle traurig - mir wurde gesagt, dass sie ihre "kleine Deutsche" immer sehr geschĂ€tzt hĂ€tten- und fĂŒr viele war es so selbstverstĂ€ndlich, dass ich wiederkommen wĂŒrde, dass sie beim Abschied nur sagten: "Bis zum nĂ€chsten Jahr".